Das verrückte Jahr 2020

4. Mitgliederversammlung vom 23. Februar 2021

2020, als Corona nicht mehr nur ein Bier war

#NetzCourage war 2020 trotz oder gerade aufgrund von Corona und die dadurch gesteigerte generelle Präsenz von Online-Tätigkeiten (man bedenke nur schon die Auswirkungen der vielen im HomeofficeTätigen) und Social Media im Cyber Space aussergewöhnlich aktiv.

2020 ist auch das Jahr, in welchem #NetzCourage zum ersten Mal auch auf Bundesebene den Respekt erleben durfte, der dem Verein schon lange zugestanden hatte.

Einerseits darf hier die Projekt-Zusammenarbeit von #NetzCourage mit der Fachstelle für Rassismusbekämpfung (FRB) – das Projekt #NetzDataBase – des Eidgenössischen Departements des Inneren (EDI) genannt werden, welches 2021 abgeschlossen wird. Nach Auswertung und Abnahme des Schlussberichts durch die FRB werden wir mit Freuden einen Bericht zu Handen der Mitgliederversammlung verfassen. Einige erste Schlussfolgerungen lassen darauf schliessen, dass sich die Schweizer „Hass im Netz“-Bewegung in sogenannten Echo Kammern „selbst beweihräuchert“ und die einzelnen Akteure trotz hoher Follower-Zahlen in der offline Welt nicht auf allzu grosse wahrhaftige Unterstützung zählen dürften.

Weiter konnte #NetzCourage in mehreren Fällen das Bundesamt für Polizei, FedPol, unterstützen, indem ingeschlossenen Gruppen oder versteckten Kanälen Gewaltaufrufe durch unsere Recherchetätigkeit gefunden, gesichert und dem FedPol zugestellt wurden. Diese Meldungen hatten Abmahnungen, Hausbesuche von Beamten bei potentiell gewaltbereiten Bürgern und gar die Beschlagnahmung von Waffen zur Folge.

Denn nicht erst seit dem Mord an CDU-Politiker Walter Lübke wissen wir, dass Onlinedrohungen realeGewaltakte zur Folge haben können.

Zielperson dieser Gewaltaufrufe war im Coronajahr in den meisten Fällen Gesundheitsminister Alain Berset.Dies zeigt eindrücklich, was 2020 im Netz abging. Noch im Jahr zuvor waren die allermeisten Gewaltaufrufe und Drohungen gegen Bundesrätin Simonetta Sommaruga gerichtet. Mächtige Frauen lösen bei Wutbürger*innen und Netzrüpeln Angst und in der Folge Hass aus. Alain Berset konnte dies im 2020 toppen, indem er als Kapitän der Coronakrise bereits im Frühling – nach 3-4 Wochen ruhigem Lockdown – im Netz zum Hauptschuldigen dieser Krise gemacht wurde. Das Netz tobte für den Rest des Jahres und es ist noch keine Besserung auszumachen.

Nun folgt ein Überblick über die wichtigsten Stationen während des Jahres 2020.

Jahresrückblick 2020

Ein fulminanter Start in das Jahr 2020 gelang Jolanda Spiess-Hegglin mit ihrem Auftritt beim Schweizer Radio SRF, in der Sendung „Jahreswechsel ist Frauensache“. Nebst der Frauenrechts- und Klimaaktivistin, Nadine de Cruz, der Kunsthistorikerin, Martina Kral, vertrat Jolanda Spiess-Hegglin ganz klar den Standpunkt, die Werte und Ziele von #NetzCourage, indem sie mit dem Statement „Mit #NetzCourage habe ich die Anlaufstelle gegründet, die mir damals gefehlt hat“ die Zuhörer*innen beeindruckte. Damit vertiefte sich gleich zu Beginn des Jahres die Präsenz von #NetzCourage bei etablierten Akteuren.

Im Januar folgten dann mehrere Einstellungsverfügungen von Racheanzeigen verurteilter Wutbürger. Die Anzeigen waren die Reaktion auf eine Studie der Universität Zürich zum Wutbürgertum, welche bei 20 Minuten und zentralplus je eine Titelgeschichte wert waren. Letztlich war alles heisse Luft und der „Spass“ generierte Verfahrenskosten zu Handen des Staates, aber auch einen enormen Zuspruch für das Wirken von #NetzCourage und Jolanda Spiess-Hegglin. Sie kommentierte das Ganze folgendermassen: „Man geht immer ein gewisses Risiko ein, wenn man Pionierarbeit leistet“ und „Hass im Netz ist ein gesellschaftliches Phänomen,  über das wir noch viel zu wenig wissen. Wir brauchen eine wissenschaftliche Grundlage, um politisch dagegenvorgehen und sinnvolle Prävention machen zu können“.

Im Februar erfolgte dann die offizielle Anerkennung von #NetzCourage als Organisation mit gemeinnützigem Zweck, mit der Befreiung von der Steuerpflicht. Diese Steuerbefreiung umfasst die direkte Bundessteuer (Gewinnsteuer) und die Kantons- und Gemeindesteuern (Gewinn- und Kapitalsteuer sowie die mErbschafts- und Schenkungssteuer).

Am 25. Februar 2020 war Jolanda Spiess-Hegglin in den SRF Club eingeladen. Ein weiterer Gast war Natascha Kampusch, Autorin des Buchs „Cyberneider“, in dem sie ein ganzes Kapitel über Jolanda Spiess-Hegglin, deren Erlebnisse und insbesondere ihren Umgang mit den Medien schrieb (wer die Sendungverpasst hat, sollte sie sich unbedingt ansehen: https://srf.ch/play/tv/redirect/detail/328d98ae-a87a-459b-861f-c798f46ce608).

Notabene, der 25. Februar 2020 wäre gleichzeitig der 16. Geburtstag von Céline Pfister gewesen. Sie starb 13-jährig durch Suizid nach Cybermobbing. Ihre Eltern erhielten 2020 aufgrund ihres Kampfes für Gerechtigkeit den Prix Courage.

Kurz darauf gab Jolanda Spiess-Hegglin aufgrund des milden Urteils, das gegen den Täter im Cybermobbing-Fall „Céline“ ausgesprochen wurde, ein weiteres Interview, diesmal für SRF aktuell. Jolanda hält das Urteil für problematisch, da das Thema Cybermobbing aktuell und weitverbreitet sei. So hätte es ein härteres Urteil gebraucht, damit sich Opfer ernst genommen fühlen.

Im März gings weiter mit #WirGegenHass. Mit der Kampagne macht Swisscom zusammen mit dem Verein#NetzCourage seither auf dieses Phänomen aufmerksam und sagt Hatern im Internet den Kampf an.

Der personelle Ausbau von #NetzCourage war eine logische Schlussfolgerung. Audrey Djouadi unterstützte den Verein bei der Bewältigung der vielen Soforthilfeanfragen. Andererseits wurde in Anja Keller-Fischer eine „Projektleiterin Rassismus, Diskriminierung & Radikalisierung“ rekrutiert. Beide zeichnen sich durch ihr Know-how, ihren Einsatzwillen und ihr Durchsetzungsvermögen aus.

In der Zeit von Mitte März bis im Sommer, als es erstmal Lockdown bedingt ganz ruhig wurde, dann aber im Netz soviel los war wie noch nie, half Jolanda Spiess-Hegglin mit, die Facebook-Gruppe „Gärn gschee – Basel hilft!“ aufzubauen und zu moderieren. Innerhalb weniger Tage traten 15‘000 Menschen der Gruppe bei und unterstützten sich gegenseitig in Nachbarschaftshilfe in der Region Basel. Mit dem Community-Managementin der Entstehungsphase hat #NetzCourage einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der Gruppe geleistet, welche noch immer wächst und aus der Region Basel nicht mehr wegzudenken ist.

Jolanda Spiess-Hegglin hat aber auch die ruhigen Tage des Lockdowns (neben Homeschooling ihrer drei Kinder) für Kopfarbeit genutzt und endlich ein Bildungsprojekt auf Papier gebracht. Im September kam der Entscheid und die Zusage zur Förderung des Projekts #NetzBildung von der Stiftung Mercator Schweiz. Das Projekt beinhaltet Unterrichtsmodule für Primar-, Oberstufe, Lehrpersonen und Eltern, als praxisnahe und dringend nötige Ergänzung zum Lehrplan21. Für die didaktische Expertise und Mitarbeit an diesem Projekt wurde die Dozentin und Schulsozialarbeiterin NadiaPfendsack, langjähriges #NetzCourage-Mitglied, an Bord geholt.

Weiter durfte #NetzCourage in der Rolle als Kollektivmitglied aktiv an der Wahl der Führungsspitze der Frauenzentrale Zürich mitwirken. Die Generalversammlung diente auch als wichtiger Networking-Anlass.

Hate Speech: so wird Cybermobbing-Opfern geholfen, Experten-Tipps zu Cybercrime bei SRF Forward. DasMitwirken in diesem jungen SRF-Format war im Herbst ein wichtiger Meilenstein in der medialen Präsenz von#NetzCourage und Courage im Netz.

Ebenfalls im Herbst hielt Jolanda Spiess-Hegglin erneut ein Referat im Bundeshaus. Zwischen Plexiglaswänden (es sah alles ein wenig aus wie in der Reptilienabteilung des Züri-Zoo) sprach Jolanda Spiess-Hegglin vor National- und Ständeräten und vor Expert*innen des Nationalen Zentrums für Cybersicherheit (NCSC) des Eidgenössischen Finanzdepartements EFD über ihre eigenen Erfahrungen mit anonymem Cyberstalking und über Lösungsansätze, welche ihrem Erfahrungsrucksack entspringen. Der Anlass im Bundeshaus sollte wichtig sein für Projekte, welche im 2021 folgen werden.

Zur besten Sendezeit wurde bei RADIO TELEVISION SUISSE (RTS) in Temps Présent ein Film über Cybergewalt, deren Ursprünge, Wirkungen und Folgen ausgestrahlt. Jolanda Spiess-Hegglin war eine der Hauptfiguren. Nadya und Candid Pfister, die Eltern von Céline (#célines-voice) sind ebenfalls Akteure im gleichen Filmbeitrag. Wer den Film verpasst hat, kann ihn hier anschauen:https://rts.ch/play/tv/redirect/detail/11713974

Im November, an der Mitgliederversammlung, trat die #NetzCourage-Mitgründerin Irina Studhalter nach 4 Jahren als Präsidentin zurück. Das neue Co-Präsidium wurde durch Tamara Funiciello (Nationalrätin SP Bern)und Greta Gysin (Nationalrätin Grüne Tessin) neu besetzt.

#NetzCourage hat 2020 den Schnellzug bestiegen.
Wir haben uns Proviant besorgt, unterwegs ein paar Leute aufgeladen und werden die Geschwindigkeit im 2021 konstant halten.

Unterlagen zur Mitgliederversammlung


Revisionsbericht


Bilanz/ER


Protokoll


Jahresbericht