Telegram

Telegram als Propagandamaschine

Krisenzeiten, wie die aktuelle Covis-19 Pandemie, befeuern solche Strömungen zusätzlich und ermöglichen die Etablierung besonders radikaler Foren, Plattformen und Messenger Diensten. So hat Telegram erst durch die Pandemie an Popularität zugenommen und ist aktuell die Plattform mit den meisten Zuläufen an Verschwörungstheoretikern, Rassisten, Rechtsextremen, etc. Zu unterscheiden sind auf Telegram vor allem Kanäle und Gruppen: Mitglieder in Kanälen können Posts liken, kommentieren und an Umfragen teilnehmen, jedoch keine eigenen Inhalte posten. Sie funktionieren daher stärker unidirektional und dienen der Person, die den Kanal betreibt, der möglichst störungs- und widerspruchsfreien Verbreitung von Inhalten.

 

 

Warum ist Telegram so erfolgreich

In Gruppen hingegen tauschen sich Userinnen und User im direkten Kontakt miteinander aus, sowohl mit anderen Mitgliedern wie auch mit den Admins. Hier steht vor allem die Vernetzung im Vordergrund. Viele rechtsextreme Gruppen umfassen Mitglieder im niedrigen dreistelligen Bereich. Einige jedoch versammeln weit über 1.000 Personen, einige wenige gar über 10.000. Entsprechend der breiten Nutzungsmöglichkeiten sowie der wachsenden Zahl an Nutzerinnen und Nutzer des Dienstes – täglich ca. 7,8 Millionen aktive im deutschsprachigen Raum – gewinnt Telegram für Rechtsextreme aus verschiedenen Spektren und mit unterschiedlichen Inhalten an Attraktivität.

Schnelle und einfache Verbreitung von Gewaltvideos
Neben Texten und Verlinkungen externer Angebote bietet Telegram auch die Möglichkeit, eigene Medien in den Kanälen und Chatgruppen verfügbar zu machen. So finden sich bei einigen Kanälen ganze Sammlungen mit tausenden rechtsextremen Memes, Bildern, Text- und Musikdateien. Auch Videos werden besonders stark rezipiert, darunter viele, die explizite Darstellungen von Gewalt beinhalten. Die einzelnen Inhalte können einfach geteilt oder runtergeladen werden. Von den so gegebenen Möglichkeiten zur Weiterverbreitung wird rege gebraucht gemacht.

Dies zeigt sich vor allem bei Videos, die Bezug auf aktuelle Ereignisse nehmen und folglich massenhaft gepostet werden. Das vom Attentäter des rechtsterroristischen Anschlags in Halle aufgenommene Video, das ihn bei der Begehung seiner Tat zeigt, fand sich in unzähligen Ausführungen auf Telegram, während es auf anderen Plattformen rasch und immer wieder gelöscht wurde. Genauso wie das Video des Attentäters von Christchurch ist es nach wie vor, trotz zahlreicher Meldungen, weiterhin dort verfügbar.

Auch Videos, die Prügelszenen, Ermordungen oder Hinrichtungen und ihre Folgen zeigen, finden sich auf Telegram. Eingebunden in ein rechtsextremes Narrativ sollen sie zuvorderst die Emotionen der Rezipierenden ansprechen. Sie sollen Angst und Hass erzeugen und so zu Reaktionen bis hin zu Gewalttaten anstacheln.

Rechtsterroristische Propaganda: Gewaltsame Eskalation als Ziel
Telegram gilt bei Rechtsextremen als „sicherer Hafen“. Entsprechend finden sich dort auch Inhalte, die offen Menschenverachtung und Gewalt propagieren. Hier werden rechtsterroristische Anschläge bejubelt, die Attentäter glorifiziert und Nachahmungstaten bestärkt. Die Reihe von rechtsterroristischen Anschlägen 2019, von Christchurch über Poway und Bærum bis Halle und Hanau, wurden als Auftakt zum „Tag X“ gedeutet: So sei es an der Zeit zu handeln und mit terroristischen Gewalttaten einen Bürgerkrieg auszulösen, aus welchem Rechtsextreme als Sieger hervorgehen würden.

Selbst in öffentlich zugänglichen Gruppenchats wird offen und explizit über mögliche Anschläge auf Personen und Orte diskutiert. Darüber hinaus vernetzen solche Kanäle über Grenzen und Kontinente hinweg Menschen, die für diese Gewaltpropaganda empfänglich sind, was einer weiteren Radikalisierung Vorschub leisten kann. Immer wieder tauchen in offen rechtsterroristischen Gruppen auch Querverbindungen und Hinweise auf deutsche Userinnen und User auf, beispielsweise durch deutschsprachige Inhalte oder geteilte Posts.

Vielfältiges Angebot: Rechtsextremer Tummelplatz
Entsprechend der breiten Nutzungsmöglichkeiten sowie der wachsenden Zahl an Nutzerinnen und Nutzer des Dienstes – täglich ca. 7,8 Millionen aktive im deutschsprachigen Raum – gewinnt Telegram für Rechtsextreme aus verschiedenen Spektren und mit unterschiedlichen Inhalten an Attraktivität.

So finden sich auf Telegram Kanäle bekannter rechtsextremer Aktivistinnen und Aktivisten verschiedener Couleur genauso wie von rechtsextremen Parteien. Kader der Identitären Bewegung haben Telegram bereits recht früh in ihre Medienstrategie eingebunden. Parteien wie die NPD, Die Rechte oder Der III. Weg sind ebenfalls mit Kanälen auf Telegram präsent und verbreiten dort ihre Propaganda.

Daneben finden sich Kanäle und Gruppen aus dem Bereich der sogenannten „Reichsbürger“, rechtsextreme Onlineshops, Musiklabels, Bands und „alternative Medien“ bis hin zu rechtsterroristischen Gruppierungen.

Mit der Entwicklung vielfältiger Funktionen, die Rechtsextreme rege nutzen, ist Telegram mittlerweile mehr als ein blosser Messenger: Mit Kommentarfunktion, Umfragetools, Bild- und Datentransfer, Sprach- und Videoposts sowie reichweitenstarken Kanälen und sehr grossen Gruppen funktioniert Telegram mehr und mehr wie ein eigenes soziales Netzwerk.

Schaltzentrale und Knotenpunkt für den „Infokrieg“
Rechtsextreme begreifen das Netz als ein Aktionsfeld, in dem sie durch konzertierte Kampagnen, organisierte Shitstorms oder kollektiver Themen(be)setzung öffentliche Diskurse gezielt zu verschieben suchen. Die verstärkte Nutzung von Telegram durch Rechtsextreme seit Ende 2017 dient dazu, Material, Anleitungen und Strategien für den selbsterklärten „Infokrieg“ bereitzustellen. Die Kanäle dienen als wichtige Schaltzentrale und Räume der Planung und Koordinierung.

Hier werden politische Gegenrinnen und Gegner sowie andere, den Rechtsextremen unliebsame Personen zu Zielscheiben erklärt. Durch die umfangreichen Dateisammlungen und multimediale Nutzung des Dienstes wird das Material direkt mitgeliefert: Unzählige verhetzende Memes stehen den Userinnen und User zur Verfügung.

Daneben ist Telegram ein wichtiger Knotenpunkt, der zum einen rechtsextreme Akteure aus unterschiedlichen Spektren zusammenführt, zum anderen auch eine internationale Vernetzung stärkt. Das Teilen von Inhalten anderer Userinnen und User sowie besonders anderer Kanäle bewirkt den Zugang zu einer Fülle an weiteren Kanälen/Gruppen. So leiten Links oder geteilte Inhalte über wenige Klicks in ein ganzes Netzwerk rechtsextremer Angebote.

Mangelnde Reaktion trotz massiver Verbreitung verstossender Inhalte
Öffentliche Kanäle, Sticker und Bots können durch die in der App integrierte Funktion ohne grösseren Aufwand oder per E-Mail gemeldet werden. Und nach eigener Darstellung in den FAQ löscht Telegram öffentliche illegale und terroristische Inhalte auch, wenngleich sie ausdrücklich kein „Teil politisch motivierter Zensur“ sein wollen.

Die bisherigen Erfahrungen von jugendschutz.net zeigen jedoch, dass die Plattform auf die Meldung von rechtsextremen Kanälen, Gruppen oder Einzelinhalten in aller Regel nicht reagiert, selbst wenn die Meldungen klare Verstösse gegen den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) wie verbotene Kennzeichen, Aufrufe zur Gewalt, Holocaust-Leugnungen, Volksverhetzungen oder Gewaltdarstellungen betreffen. Somit werden auch die eigenen, sehr knappen «Terms of Service», in denen es heisst, dass in öffentlichen Kanälen keine Inhalte verbreitet werden dürfen, die Gewalt befürworten, nicht umgesetzt.

Abbildung 1: Bei Telegram gemeldete Verstösse zwischen 2019-2020
Abbildung 2: Reaktion von Telegram auf Usermeldungen

Ähnliches wird aus der Schnittmenge aus Gaming Welt Hass, Gewalt und Rassismus berichtet.